10.4.2024

AI-CONIC WOMEN: Helene Staader

Wusstest du, dass in der KI-Welt nur etwa 30% der Forscher Frauen sind? Und in höheren Positionen ist diese Zahl sogar noch niedriger. Das gilt nicht nur für die Forschung; weniger als 25% der KI-Spezialisten sind Frauen. Ich denke, es ist Zeit für eine Veränderung. Ich bin Jeanette Hepp, CMO bei Frontnow, und ich sehe dieses Ungleichgewicht jeden Tag. Deshalb freue ich mich, „AI-Conic Women“ vorstellen zu können.

Jeanette Hepp

Chief Marketing Officer

AI-Conic Women

Diese Serie ist den großartigen Frauen in der KI gewidmet, die nicht nur Teil der KI-Branche sind, sondern deren Zukunft aktiv mitgestalten. Entdecke mit mir ihre Geschichten, feiere ihre Erfolge und lass dich davon inspirieren, wie sie KI integrativer und innovativer gestalten. Diese Woche: Helene Staader, Chief Product Owner bei SAP AI. Ihre Geschichte belegt die Bedeutung von Beharrlichkeit, Anpassungsfähigkeit und der Notwendigkeit einer integrativeren Führung im Technologiebereich und erinnert uns daran, dass unterschiedliche Perspektiven nicht nur vorteilhaft, sondern für Innovation unerlässlich sind.

Helene, kannst du einen typischen Tag als Chief Product Owner bei SAP AI beschreiben? Wie bringst du die Aspekte Technik, Produktmanagement und Führung in deiner Rolle unter einen Hut?

Ein typischer Tag beginnt mit einem Kaffee. Ich starte relativ früh, gegen 6 Uhr morgens, damit ich die ersten paar Stunden nutzen kann, um meine To-do-Liste und Mails abzuarbeiten. Diese frühen Stunden sind auch praktisch, um mit einem unserer Asien-Teams abzustimmen (wir haben Teams in Singapur und Indien). Zwischen 8 und 9 Uhr startet dann mein Meeting-Marathon. Ab da gibt es eigentlich kein erkennbares Muster mehr, außer dass ich sehr viel Zeit in Meetings verbringe. Es muss viel abgestimmt werden. Gerade jetzt, wo KI bei SAP so in den Fokus gerückt ist, was die letzte Reorganisation Anfang des Jahres beweist. Unser neugegründeter SAP Business AI-Bereich hat ambitionierte Ziele und muss neu strukturiert werden, um für die neuen Herausforderungen solide aufgestellt zu sein. Wir sprechen in diversen Runden über die Strategie, über die technische Umsetzung, verändern unsere Prozesse, um besser skalieren zu können, und verteilen die Themen unter den Teams neu. Das ist die Herausforderung, aber auch der Reiz an meinem Job als CPO. Es ist so vielseitig und sehr abwechslungsreich. 

In erster Linie bin ich dafür zuständig, zusammen mit unseren PMs die Vision und Strategie unserer Produkte zu formen und diese Vision mit den Entwicklungsteams umzusetzen. Das bedeutet, Kontakt zu unseren Stakeholdern zu pflegen, deren Anforderungen zu priorisieren, die technische Umsetzung dieser Anforderungen anzustoßen, dann den Entwicklungsprozess zu begleiten und darauf zu achten, dass unsere Produkte den SAP-Standards entsprechen. Es sind viele Prozesse, die man beachten und befolgen muss. Und nichts davon mache ich natürlich allein. Es ist Teamwork mit unseren PMs, Architekten, POs, Programm-Managern und People-Managern. Und das macht unglaublich viel Spaß. Ich bin nicht immer und überall tief in den Diskussionen dabei, aber bei mir kommt letztendlich alles zusammen. Und obwohl ich keine direkte Personalverantwortung habe, ist CPO eine absolute Leadership-Rolle! Gute Prozesse und eine klare Linie in der Strategie sind ein wichtiger Beitrag zur Zufriedenheit in den Teams. Und dieser Verantwortung bin ich mir sehr bewusst. Somit vereint meine Rolle diese drei wichtigen Aspekte: Product Management, Engineering und Leadership. Für mich ist es ein absoluter Traumjob.

Du hast bereits erwähnt, dass dein Weg in die KI nicht direkt war. Vor welchen Herausforderungen standest du, als du von einem Entwickler in eine Rolle gewechselt bist, die sich mehr auf KI und Produktmanagement konzentriert, und wie hast du diese gemeistert?

Es war ein stetiges Wachstum, ein Heranwachsen an neue Themen und neue Rollen. Vor 20 Jahren begann ich meine Karriere als Entwicklerin. In dieser Zeit sammelte ich Erfahrungen als Scrum Master sowie als Project Lead, wodurch ich meine Kenntnisse im Bereich des Software Engineering, der agilen Softwareentwicklung und der Koordination vertiefte. Meinen Einstieg in die KI-Welt fand ich 2015, als mir die Verantwortung für eine kleine KI-Komponente übertragen wurde. Kurze Zeit später bewarb ich mich für ein Fellowship im neu gegründeten, zentralen KI-Team von SAP, das das Ziel hatte, eine KI-Plattform zu bauen, um Entwicklern den Einstieg zu erleichtern. Ich merkte schnell, dass dies genau meinen Interessen entsprach. Wir selbst bauen keine KI-Methoden oder -Anwendungen, aber es ist essentiell zu verstehen, wie Data Scientists und KI-Ingenieure arbeiten, was die aktuellen Trends sind sowie die existierenden Hindernisse bei der Entwicklung von KI-Anwendungen. Nach meinem Fellowship trat ich als Product Owner in das Team ein und bin bis heute dabei geblieben. Unser Team wuchs von anfangs etwa 10 Personen auf nunmehr etwa 150 Personen, und irgendwann übernahm ich die Rolle des CPO für den gesamten Bereich. Jede Phase dieser Transition brachte ihre eigenen Herausforderungen mit sich: Wie managt man ein so rasantes Wachstum? Wie geht man mit hoher Sichtbarkeit und Druck um? Wie bleibt man technologisch auf dem Laufenden in einem sich rapide entwickelnden Bereich? Und wie optimiert man sein Zeitmanagement angesichts wachsender Belastung? Manchmal helfen Schulungen, ein anderes Mal Coaching, aber vor allem viel Selbstreflexion und der Wille zur Weiterentwicklung. Ein weiterer wichtiger Faktor, um all diese Herausforderungen zu meistern, ist die Unterstützung durch das Management. Ich hatte das große Glück, Manager zu haben, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen.

Was sind deiner Meinung nach derzeit die wichtigsten aufkommenden Trends im Bereich KI? Wie werden sich diese Trends deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Natürlich sage ich damit nichts Neues, aber für mich ist die Generative KI die größte technologische Errungenschaft dieses Jahrhunderts – und das nicht nur im Bereich der Künstlichen Intelligenz, sondern in der gesamten Technologielandschaft (bis jetzt). Es handelt sich um eine regelrechte Revolution! Was also ist der große Unterschied zu früheren KI-Technologien? Aus meiner Sicht liegt der Unterschied in der Einfachheit der Anwendung und der breiten Abdeckung von Anwendungsfällen mit nur einem Modell. Generative KI-Modelle können "out-of-the-box" eingesetzt werden, oder man kann mit relativ geringem Aufwand – durch Prompt Engineering und Grounding – großartige Ergebnisse erzielen. Für die Entwicklung solcher Fälle benötigt man keine Data Scientists mehr, was den Einstieg in die faszinierende Welt der KI für alle Unternehmen enorm erleichtert. Ich bin der Meinung, dass GenAI auch einen immensen Einfluss auf unsere zukünftige Arbeitsweise und darauf, wie wir mit Computersystemen kommunizieren, haben wird. Die Beschaffung relevanter Informationen wird noch einfacher sein, und Routinen wie das Formulieren von E-Mails oder das Zusammenfassen von Meetings werden bald vollständig automatisiert von der KI übernommen. Und da stoßen wir bereits auf das größte Problem der Generativen KI: Können wir den generierten Informationen und Inhalten vertrauen? Ist es beispielsweise möglich, eine generierte Stellenanzeige ohne Überprüfung zu veröffentlichen? Die GenAI-Modelle neigen zu Halluzinationen und sind nicht frei von Voreingenommenheit. Unsere größte Aufgabe wird es also sein, sorgfältig mit dem generierten Output umzugehen. Wir müssen die Modelle mit domainspezifischem Wissen anreichern (Grounding), bekannte Vorurteile korrigieren und vor allem immer kenntlich machen, wenn es sich um generierten Output handelt. Das „Human in the Loop“-Prinzip ist im Moment noch absolut wichtig und unverzichtbar.

Es ist sehr aufregend, aber auch etwas beängstigend, wie rasant KI gerade voranschreitet. Unsere Ethikrichtlinien für KI und die damit verbundenen Regelungen dagegen hinken hinterher. Aber ganz ehrlich, eine „Auszeit“ zu nehmen, um erst einmal zu überlegen, wie wir damit umgehen sollen, halte ich nicht für eine realistische Lösung. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Aspekte stets im Hinterkopf zu behalten, wenn wir Anwendungen mit KI entwickeln, und den Kurs immer dann zu korrigieren, wenn es notwendig ist.

Was sollten Unternehmen deiner Meinung nach tun, um Frauen beim Aufbau erfolgreicher Karrieren in der Technologiebranche zu unterstützen?

Unternehmen stehen praktisch am Ende der Kette der Institutionen, die das Selbstbild von Frauen und deren Prägung beeinflussen. Der Einfluss beginnt in der Familie, setzt sich im Kindergarten, in der Schule, an der Ausbildungsstätte usw. fort. Leider wird Frauen in unserer Gesellschaft oft das technische Verständnis abgesprochen. Und wenn man mit solchen Ansichten im näheren Umkreis aufwächst, übernimmt man diese leider oft ungefragt. Zudem werden bestimmte Aufgaben, wie die Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen, hauptsächlich Frauen zugeschrieben. Das hat zur Folge, dass nicht viele Frauen in die Technologiebranche finden. Daher ist es wichtig, von Anfang an ein freies und vorurteilsfreies Entfalten von Frauen zu ermöglichen! Um dies zu erreichen, bedarf es eines Umdenkens in der gesamten Gesellschaft, mehr vielfältiger Rollenbilder für Mädchen und dadurch den Abbau von mentalen Barrieren in Bezug auf ihre Neigungen und Fähigkeiten, sodass sie ihren Lebensweg (mit oder ohne Kinder) selbst wählen können. Zwei sehr wichtige Zutaten in unserer Gesellschaft sind dafür nötig: Toleranz und Akzeptanz. Es sollte eine echte Wahl sein und keine nur theoretische. Die gute Nachricht ist, dass in den letzten Jahren schon viel passiert ist und das Umdenken begonnen hat. Die Generation meiner Kinder ist bereits viel offener als es meine Generation war, und ich hoffe, dass dieser Trend anhält.

Nun zu dem, was Unternehmen noch zusätzlich tun können: Gute Coaching-Konzepte und Trainings können sehr viel bewirken. Zu Beginn meines Berufslebens nahm ich an einem 'Gender Awareness'-Kurs teil, der viele 'Aha-Erlebnisse' bot und in dem ich mich erstmals im Vergleich zu meinen männlichen Kollegen reflektiert habe. Dies bedeutet nicht, dass Frauen sich an eine 'männliche Welt' anpassen müssen – im Gegenteil: Frauen ergänzen oft mit ihren Eigenschaften, was meiner Meinung nach zu einem gesünderen Arbeitsklima beiträgt. Aber wenn man sich bestimmter Mechanismen bewusst wird, kann man bestimmte Dinge besser steuern (Sichtbarkeit erhöhen, eigene Erfolge präsentieren usw.). Auch Manager müssen so geschult sein, dass sie Frauen zum Erfolg verhelfen können. Und dann gibt es noch ganz banale Dinge, die aber immer noch keine Selbstverständlichkeit sind: Kinderbetreuung ermöglichen, flexible Teilzeitarbeit anbieten (möglichst ohne Karriereeinbußen).

Von allem, was ich gesagt habe, gehe ich davon aus, dass Diskriminierung bereits der Vergangenheit angehört. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist das das Erste, was jedes Unternehmen ändern sollte! Ich möchte diese Aussage nun auf weitere benachteiligte Gruppen ausdehnen. In einem modernen Unternehmen sollte kein Platz für jegliche Art von Diskriminierung sein – egal ob aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe, der Religion oder einer Behinderung. Die Welt ist bunt, und das sollte sich auch in jedem Unternehmen widerspiegeln!

Du betonst die Bedeutung von Vielfalt in Teams. Welchen Beitrag leisten deiner Meinung nach vielfältige Teams, insbesondere in den Bereichen KI und Technologie?

Oh ja, ich bin ein großer Verfechter von Vielfalt in Teams. Zum einen bin ich der Überzeugung, dass wir dadurch bessere Software entwickeln können. Wir bauen Software zwar für Unternehmen, doch im Endeffekt bauen wir sie für die Menschen, die damit arbeiten – und diese Menschen sind divers. Je diverser also die Einflüsse, die in die Entwicklung einfließen, desto wahrscheinlicher entspricht das Endprodukt den Anforderungen vieler und nicht nur denen einer kleinen Gruppe. Zum anderen macht es einfach unheimlich viel Spaß, in solch einem Team zu arbeiten! Man lernt ständig dazu: neue Fakten über verschiedene Kulturen, andere Mentalitäten und Sichtweisen, unterschiedliche Herangehensweisen. Man erweitert täglich seinen Horizont und verändert sein Weltbild. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle zu toleranteren Menschen werden, wenn wir in diversen Teams arbeiten. Und natürlich bezieht sich diese Diversität nicht nur auf unterschiedliche Kulturen und Geschlechter, sondern auch auf alle anderen Gruppen in unserer Gesellschaft.

Was sind deiner Erfahrung nach die größten Herausforderungen für Unternehmen, wenn sie KI einsetzen, um ihre Abläufe zu verändern? Wie sollten Unternehmen deiner Meinung nach an diese Herausforderungen herangehen, und welche Strategien können diesen Wandel wirksam unterstützen?

Tatsächlich habe ich bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen trotz des großen Hypes um KI oft zögern, sie im großen Stil einzusetzen. Dabei spielen meines Erachtens mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst ist da die schwierige Abschätzung des Business Values. Welchen konkreten Nutzen habe ich als Unternehmer, wenn ich bestimmte Prozesse mit KI automatisiere? Klar ist, dass KI Manpower einsparen kann, doch da sie lediglich die 'wahrscheinlichste' Lösung liefert, besteht immer eine Fehlerwahrscheinlichkeit. Die Frage ist also: Mit welcher Fehlerquote muss gerechnet werden und wie aufwendig ist die Korrektur dieser Fehler? Diese Fragen sind hochspezifisch und die Antworten variieren je nach Anwendungsfall, verwendetem Modell und der Integration in Unternehmensprozesse. Ein weiteres Problem ist schlicht und ergreifend: das Vertrauen. Wie ist das Modell zu seiner Lösung gekommen? In den meisten Fällen kann das Modell leider keine für uns nachvollziehbare Erklärung liefern. Zwar gibt es Ansätze, um diese Erklärbarkeit zu verbessern, doch sind diese bisher nicht flächendeckend und zufriedenstellend möglich. Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Gefühl der Überforderung. Viele sind überfordert mit der Masse an verschiedenen Modellen und Tools (diese Zahl wächst täglich!), deren Qualität, rechtlichen Anforderungen, Datenschutz und ethischen Richtlinien für KI. Die wenigsten Unternehmen verfügen über ausreichend eigene KI-Spezialisten, um diese Herausforderungen zu meistern. Und das ist genau der Punkt, an dem wir als SAP unseren Kunden unter die Arme greifen. Wir integrieren KI in unsere Produkte und nutzen dabei ausgewählte Technologien, die von uns überprüft und für gut befunden wurden. Diese Auswahl möchten wir auch unseren Kunden anbieten, die eigene Anwendungen bauen möchten, und ihnen je nach Use Case eine Entscheidungshilfe bieten. Zudem möchten wir ihnen ermöglichen, diese neuen KI-Anwendungen so einfach wie möglich in ihre Prozesse und unsere Produkte zu integrieren. So viel zum Thema Herausforderungen. Aber was sind die Lösungsstrategien?

Der erste Schritt für ein Unternehmen, um den KI-Einsatz voranzutreiben, wäre (so banal es auch klingen mag), lukrative Use Cases zu identifizieren. Dies ist jedoch keineswegs so trivial, wie es klingt. Was bringt die größte Verbesserung oder Einsparung? Anschließend geht es um die Auswahl der richtigen Technologie, und hierbei kommt es stark auf das jeweilige Unternehmen an. Verfügt man intern über die notwendigen Skills, um solch eine Entscheidung zu treffen? Und falls nicht, ist es oft ratsam, auf die Unterstützung eines kompetenten und vertrauensvollen Partners zurückzugreifen.

Diese Serie ist den großartigen Frauen in der KI gewidmet, die nicht nur Teil der KI-Branche sind, sondern deren Zukunft aktiv mitgestalten. Entdecke mit mir ihre Geschichten, feiere ihre Erfolge und lass dich davon inspirieren, wie sie KI integrativer und innovativer gestalten. Diese Woche: Helene Staader, Chief Product Owner bei SAP AI. Ihre Geschichte belegt die Bedeutung von Beharrlichkeit, Anpassungsfähigkeit und der Notwendigkeit einer integrativeren Führung im Technologiebereich und erinnert uns daran, dass unterschiedliche Perspektiven nicht nur vorteilhaft, sondern für Innovation unerlässlich sind.

Helene, kannst du einen typischen Tag als Chief Product Owner bei SAP AI beschreiben? Wie bringst du die Aspekte Technik, Produktmanagement und Führung in deiner Rolle unter einen Hut?

Ein typischer Tag beginnt mit einem Kaffee. Ich starte relativ früh, gegen 6 Uhr morgens, damit ich die ersten paar Stunden nutzen kann, um meine To-do-Liste und Mails abzuarbeiten. Diese frühen Stunden sind auch praktisch, um mit einem unserer Asien-Teams abzustimmen (wir haben Teams in Singapur und Indien). Zwischen 8 und 9 Uhr startet dann mein Meeting-Marathon. Ab da gibt es eigentlich kein erkennbares Muster mehr, außer dass ich sehr viel Zeit in Meetings verbringe. Es muss viel abgestimmt werden. Gerade jetzt, wo KI bei SAP so in den Fokus gerückt ist, was die letzte Reorganisation Anfang des Jahres beweist. Unser neugegründeter SAP Business AI-Bereich hat ambitionierte Ziele und muss neu strukturiert werden, um für die neuen Herausforderungen solide aufgestellt zu sein. Wir sprechen in diversen Runden über die Strategie, über die technische Umsetzung, verändern unsere Prozesse, um besser skalieren zu können, und verteilen die Themen unter den Teams neu. Das ist die Herausforderung, aber auch der Reiz an meinem Job als CPO. Es ist so vielseitig und sehr abwechslungsreich. 

In erster Linie bin ich dafür zuständig, zusammen mit unseren PMs die Vision und Strategie unserer Produkte zu formen und diese Vision mit den Entwicklungsteams umzusetzen. Das bedeutet, Kontakt zu unseren Stakeholdern zu pflegen, deren Anforderungen zu priorisieren, die technische Umsetzung dieser Anforderungen anzustoßen, dann den Entwicklungsprozess zu begleiten und darauf zu achten, dass unsere Produkte den SAP-Standards entsprechen. Es sind viele Prozesse, die man beachten und befolgen muss. Und nichts davon mache ich natürlich allein. Es ist Teamwork mit unseren PMs, Architekten, POs, Programm-Managern und People-Managern. Und das macht unglaublich viel Spaß. Ich bin nicht immer und überall tief in den Diskussionen dabei, aber bei mir kommt letztendlich alles zusammen. Und obwohl ich keine direkte Personalverantwortung habe, ist CPO eine absolute Leadership-Rolle! Gute Prozesse und eine klare Linie in der Strategie sind ein wichtiger Beitrag zur Zufriedenheit in den Teams. Und dieser Verantwortung bin ich mir sehr bewusst. Somit vereint meine Rolle diese drei wichtigen Aspekte: Product Management, Engineering und Leadership. Für mich ist es ein absoluter Traumjob.

Du hast bereits erwähnt, dass dein Weg in die KI nicht direkt war. Vor welchen Herausforderungen standest du, als du von einem Entwickler in eine Rolle gewechselt bist, die sich mehr auf KI und Produktmanagement konzentriert, und wie hast du diese gemeistert?

Es war ein stetiges Wachstum, ein Heranwachsen an neue Themen und neue Rollen. Vor 20 Jahren begann ich meine Karriere als Entwicklerin. In dieser Zeit sammelte ich Erfahrungen als Scrum Master sowie als Project Lead, wodurch ich meine Kenntnisse im Bereich des Software Engineering, der agilen Softwareentwicklung und der Koordination vertiefte. Meinen Einstieg in die KI-Welt fand ich 2015, als mir die Verantwortung für eine kleine KI-Komponente übertragen wurde. Kurze Zeit später bewarb ich mich für ein Fellowship im neu gegründeten, zentralen KI-Team von SAP, das das Ziel hatte, eine KI-Plattform zu bauen, um Entwicklern den Einstieg zu erleichtern. Ich merkte schnell, dass dies genau meinen Interessen entsprach. Wir selbst bauen keine KI-Methoden oder -Anwendungen, aber es ist essentiell zu verstehen, wie Data Scientists und KI-Ingenieure arbeiten, was die aktuellen Trends sind sowie die existierenden Hindernisse bei der Entwicklung von KI-Anwendungen. Nach meinem Fellowship trat ich als Product Owner in das Team ein und bin bis heute dabei geblieben. Unser Team wuchs von anfangs etwa 10 Personen auf nunmehr etwa 150 Personen, und irgendwann übernahm ich die Rolle des CPO für den gesamten Bereich. Jede Phase dieser Transition brachte ihre eigenen Herausforderungen mit sich: Wie managt man ein so rasantes Wachstum? Wie geht man mit hoher Sichtbarkeit und Druck um? Wie bleibt man technologisch auf dem Laufenden in einem sich rapide entwickelnden Bereich? Und wie optimiert man sein Zeitmanagement angesichts wachsender Belastung? Manchmal helfen Schulungen, ein anderes Mal Coaching, aber vor allem viel Selbstreflexion und der Wille zur Weiterentwicklung. Ein weiterer wichtiger Faktor, um all diese Herausforderungen zu meistern, ist die Unterstützung durch das Management. Ich hatte das große Glück, Manager zu haben, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen.

Was sind deiner Meinung nach derzeit die wichtigsten aufkommenden Trends im Bereich KI? Wie werden sich diese Trends deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Natürlich sage ich damit nichts Neues, aber für mich ist die Generative KI die größte technologische Errungenschaft dieses Jahrhunderts – und das nicht nur im Bereich der Künstlichen Intelligenz, sondern in der gesamten Technologielandschaft (bis jetzt). Es handelt sich um eine regelrechte Revolution! Was also ist der große Unterschied zu früheren KI-Technologien? Aus meiner Sicht liegt der Unterschied in der Einfachheit der Anwendung und der breiten Abdeckung von Anwendungsfällen mit nur einem Modell. Generative KI-Modelle können "out-of-the-box" eingesetzt werden, oder man kann mit relativ geringem Aufwand – durch Prompt Engineering und Grounding – großartige Ergebnisse erzielen. Für die Entwicklung solcher Fälle benötigt man keine Data Scientists mehr, was den Einstieg in die faszinierende Welt der KI für alle Unternehmen enorm erleichtert. Ich bin der Meinung, dass GenAI auch einen immensen Einfluss auf unsere zukünftige Arbeitsweise und darauf, wie wir mit Computersystemen kommunizieren, haben wird. Die Beschaffung relevanter Informationen wird noch einfacher sein, und Routinen wie das Formulieren von E-Mails oder das Zusammenfassen von Meetings werden bald vollständig automatisiert von der KI übernommen. Und da stoßen wir bereits auf das größte Problem der Generativen KI: Können wir den generierten Informationen und Inhalten vertrauen? Ist es beispielsweise möglich, eine generierte Stellenanzeige ohne Überprüfung zu veröffentlichen? Die GenAI-Modelle neigen zu Halluzinationen und sind nicht frei von Voreingenommenheit. Unsere größte Aufgabe wird es also sein, sorgfältig mit dem generierten Output umzugehen. Wir müssen die Modelle mit domainspezifischem Wissen anreichern (Grounding), bekannte Vorurteile korrigieren und vor allem immer kenntlich machen, wenn es sich um generierten Output handelt. Das „Human in the Loop“-Prinzip ist im Moment noch absolut wichtig und unverzichtbar.

Es ist sehr aufregend, aber auch etwas beängstigend, wie rasant KI gerade voranschreitet. Unsere Ethikrichtlinien für KI und die damit verbundenen Regelungen dagegen hinken hinterher. Aber ganz ehrlich, eine „Auszeit“ zu nehmen, um erst einmal zu überlegen, wie wir damit umgehen sollen, halte ich nicht für eine realistische Lösung. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als diese Aspekte stets im Hinterkopf zu behalten, wenn wir Anwendungen mit KI entwickeln, und den Kurs immer dann zu korrigieren, wenn es notwendig ist.

Was sollten Unternehmen deiner Meinung nach tun, um Frauen beim Aufbau erfolgreicher Karrieren in der Technologiebranche zu unterstützen?

Unternehmen stehen praktisch am Ende der Kette der Institutionen, die das Selbstbild von Frauen und deren Prägung beeinflussen. Der Einfluss beginnt in der Familie, setzt sich im Kindergarten, in der Schule, an der Ausbildungsstätte usw. fort. Leider wird Frauen in unserer Gesellschaft oft das technische Verständnis abgesprochen. Und wenn man mit solchen Ansichten im näheren Umkreis aufwächst, übernimmt man diese leider oft ungefragt. Zudem werden bestimmte Aufgaben, wie die Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen, hauptsächlich Frauen zugeschrieben. Das hat zur Folge, dass nicht viele Frauen in die Technologiebranche finden. Daher ist es wichtig, von Anfang an ein freies und vorurteilsfreies Entfalten von Frauen zu ermöglichen! Um dies zu erreichen, bedarf es eines Umdenkens in der gesamten Gesellschaft, mehr vielfältiger Rollenbilder für Mädchen und dadurch den Abbau von mentalen Barrieren in Bezug auf ihre Neigungen und Fähigkeiten, sodass sie ihren Lebensweg (mit oder ohne Kinder) selbst wählen können. Zwei sehr wichtige Zutaten in unserer Gesellschaft sind dafür nötig: Toleranz und Akzeptanz. Es sollte eine echte Wahl sein und keine nur theoretische. Die gute Nachricht ist, dass in den letzten Jahren schon viel passiert ist und das Umdenken begonnen hat. Die Generation meiner Kinder ist bereits viel offener als es meine Generation war, und ich hoffe, dass dieser Trend anhält.

Nun zu dem, was Unternehmen noch zusätzlich tun können: Gute Coaching-Konzepte und Trainings können sehr viel bewirken. Zu Beginn meines Berufslebens nahm ich an einem 'Gender Awareness'-Kurs teil, der viele 'Aha-Erlebnisse' bot und in dem ich mich erstmals im Vergleich zu meinen männlichen Kollegen reflektiert habe. Dies bedeutet nicht, dass Frauen sich an eine 'männliche Welt' anpassen müssen – im Gegenteil: Frauen ergänzen oft mit ihren Eigenschaften, was meiner Meinung nach zu einem gesünderen Arbeitsklima beiträgt. Aber wenn man sich bestimmter Mechanismen bewusst wird, kann man bestimmte Dinge besser steuern (Sichtbarkeit erhöhen, eigene Erfolge präsentieren usw.). Auch Manager müssen so geschult sein, dass sie Frauen zum Erfolg verhelfen können. Und dann gibt es noch ganz banale Dinge, die aber immer noch keine Selbstverständlichkeit sind: Kinderbetreuung ermöglichen, flexible Teilzeitarbeit anbieten (möglichst ohne Karriereeinbußen).

Von allem, was ich gesagt habe, gehe ich davon aus, dass Diskriminierung bereits der Vergangenheit angehört. Sollte dies nicht der Fall sein, so ist das das Erste, was jedes Unternehmen ändern sollte! Ich möchte diese Aussage nun auf weitere benachteiligte Gruppen ausdehnen. In einem modernen Unternehmen sollte kein Platz für jegliche Art von Diskriminierung sein – egal ob aufgrund des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Hautfarbe, der Religion oder einer Behinderung. Die Welt ist bunt, und das sollte sich auch in jedem Unternehmen widerspiegeln!

Du betonst die Bedeutung von Vielfalt in Teams. Welchen Beitrag leisten deiner Meinung nach vielfältige Teams, insbesondere in den Bereichen KI und Technologie?

Oh ja, ich bin ein großer Verfechter von Vielfalt in Teams. Zum einen bin ich der Überzeugung, dass wir dadurch bessere Software entwickeln können. Wir bauen Software zwar für Unternehmen, doch im Endeffekt bauen wir sie für die Menschen, die damit arbeiten – und diese Menschen sind divers. Je diverser also die Einflüsse, die in die Entwicklung einfließen, desto wahrscheinlicher entspricht das Endprodukt den Anforderungen vieler und nicht nur denen einer kleinen Gruppe. Zum anderen macht es einfach unheimlich viel Spaß, in solch einem Team zu arbeiten! Man lernt ständig dazu: neue Fakten über verschiedene Kulturen, andere Mentalitäten und Sichtweisen, unterschiedliche Herangehensweisen. Man erweitert täglich seinen Horizont und verändert sein Weltbild. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle zu toleranteren Menschen werden, wenn wir in diversen Teams arbeiten. Und natürlich bezieht sich diese Diversität nicht nur auf unterschiedliche Kulturen und Geschlechter, sondern auch auf alle anderen Gruppen in unserer Gesellschaft.

Was sind deiner Erfahrung nach die größten Herausforderungen für Unternehmen, wenn sie KI einsetzen, um ihre Abläufe zu verändern? Wie sollten Unternehmen deiner Meinung nach an diese Herausforderungen herangehen, und welche Strategien können diesen Wandel wirksam unterstützen?

Tatsächlich habe ich bis jetzt die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen trotz des großen Hypes um KI oft zögern, sie im großen Stil einzusetzen. Dabei spielen meines Erachtens mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst ist da die schwierige Abschätzung des Business Values. Welchen konkreten Nutzen habe ich als Unternehmer, wenn ich bestimmte Prozesse mit KI automatisiere? Klar ist, dass KI Manpower einsparen kann, doch da sie lediglich die 'wahrscheinlichste' Lösung liefert, besteht immer eine Fehlerwahrscheinlichkeit. Die Frage ist also: Mit welcher Fehlerquote muss gerechnet werden und wie aufwendig ist die Korrektur dieser Fehler? Diese Fragen sind hochspezifisch und die Antworten variieren je nach Anwendungsfall, verwendetem Modell und der Integration in Unternehmensprozesse. Ein weiteres Problem ist schlicht und ergreifend: das Vertrauen. Wie ist das Modell zu seiner Lösung gekommen? In den meisten Fällen kann das Modell leider keine für uns nachvollziehbare Erklärung liefern. Zwar gibt es Ansätze, um diese Erklärbarkeit zu verbessern, doch sind diese bisher nicht flächendeckend und zufriedenstellend möglich. Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Gefühl der Überforderung. Viele sind überfordert mit der Masse an verschiedenen Modellen und Tools (diese Zahl wächst täglich!), deren Qualität, rechtlichen Anforderungen, Datenschutz und ethischen Richtlinien für KI. Die wenigsten Unternehmen verfügen über ausreichend eigene KI-Spezialisten, um diese Herausforderungen zu meistern. Und das ist genau der Punkt, an dem wir als SAP unseren Kunden unter die Arme greifen. Wir integrieren KI in unsere Produkte und nutzen dabei ausgewählte Technologien, die von uns überprüft und für gut befunden wurden. Diese Auswahl möchten wir auch unseren Kunden anbieten, die eigene Anwendungen bauen möchten, und ihnen je nach Use Case eine Entscheidungshilfe bieten. Zudem möchten wir ihnen ermöglichen, diese neuen KI-Anwendungen so einfach wie möglich in ihre Prozesse und unsere Produkte zu integrieren. So viel zum Thema Herausforderungen. Aber was sind die Lösungsstrategien?

Der erste Schritt für ein Unternehmen, um den KI-Einsatz voranzutreiben, wäre (so banal es auch klingen mag), lukrative Use Cases zu identifizieren. Dies ist jedoch keineswegs so trivial, wie es klingt. Was bringt die größte Verbesserung oder Einsparung? Anschließend geht es um die Auswahl der richtigen Technologie, und hierbei kommt es stark auf das jeweilige Unternehmen an. Verfügt man intern über die notwendigen Skills, um solch eine Entscheidung zu treffen? Und falls nicht, ist es oft ratsam, auf die Unterstützung eines kompetenten und vertrauensvollen Partners zurückzugreifen.

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